Interviews
Ethisch Bauen in Burkina Faso | von Alessandra Coppa
(Interview aus dem Cer Magazine International Nr. 27 – Juni 2011)
Erstgeborener Sohn Dorfvorstehers von Gando in Burkina Faso, das Gesicht eingerahmt von den traditionellen Tätowierungen seines Standes, die ein außergewöhnliches Schicksal erahnen lassen. Außergewöhnlich sicherlich, denn in der Lebensgeschichte von Diébédo Francis Kéré ist nichts konventionell, beginnend von seinem in der Jugend erlernten Beruf als Tischler, der seiner Berufung zum Architekten vorausging. Ein recht normaler Beruf, allerdings nicht, wenn man bedenkt, dass in seiner Heimat Bauten aus Holz wegen der Termitenplage eine Seltenheit sind. Eine Entscheidung, die ihn jedoch die Gelegenheit zur Arbeit in einem deutschen Programm zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung gegeben hat und damit den ersten Kontakten zu seiner nunmehr zweiten Heimat. Im Dorf von Gando setzt er seine Werke um, Werke, für die er mit dem renommierten Schweizer BSI Architectural Award 2010 ausgezeichnet wurde.
Die Jury unter dem Vorsitz von Mario Botta hat Francis Kéré für seine wesentliche, intelligente Architektur ausgezeichnet, in der die Einbindung der Dorfgemeinde zu einem aktiven Projekt zur Verbesserung der Lebensbedingungen in einem so armen Land wie Burkina Faso wird.
Mit Francis Kéré kehrt Architektur zu ihrem eigentlichen Sinn zurück, zu einer Tätigkeit, die sich mit großen Problemen in unterentwickelten Ländern beschäftigt, die Architektur einfach nicht ignorieren kann. „Seine Ausdrucksform“, so Botta, „schafft Bilder grundsätzlicher baulicher Grammatik: Die schwerelos wirkenden Ziegelwände und die leichten Dächer, die zu regelrechten Schirmen über den täglichen Lebensräumen werden. Eine Architektur von großer Demut, die klar und deutlich zeigt, wie die Ethik des Bauens zur wunderbaren Stille poetischer Sprache führt.“
Die beiden ausgezeichneten Schulgebäude und die Lehrerwohnhäuser sind Vertreter eines Architekturverständnisses, das auf langfristige und vorbildliche Veränderungen zielt. Aber nicht nur. Sie erinnert auch daran, wie reich eine schlichte Architektur mit räumlichen, Klima-, Licht- und haptischen Qualitäten sein kann.
Diébédo Francis Kéré: Mein Geburtsland ist Burkina Faso, ein Land, in dem 80% der Bevölkerung Analphabeten sind und die meisten Menschen die Bedeutung des Wortes “Architektur” nicht kennen. Die Leute bauen ihre Häuser selbst oder versuchen, die am besten gelungenen Gebäude in der Nachbarschaft zu imitieren. Wenn du es schaffst, eine gerade Mauer zu bauen, die die Regenzeit überlebt, dankt man dir für den Rest deines Lebens. Diese Länder brauchen Häuser, die den dringenden Bedürfnissen der Menschen entsprechen. In Afrika träumt man von Städten nach europäischem Vorbild. Unsere Häuser bestehen aus Erde.
Wie haben Sie den Menschen Architektur nahe gebracht?
Ich habe versucht eine Gruppe von Personen zusammen zu bringen, welche die Menschen dazu bringen konnten neue Gebäude zu bauen, den Leuten beizubringen wie man baut, denn Bauen ist ein wichtiges soziales und kulturelles Ereignis im Dorf. Um zu lehren wie man baut, schaffe ich Modelle im Maßstab 1:1, die angefasst und betrachtet werden können. So verwandelt sich die Planung fast in ein rituelles Ereignis. Diese Projekte müssen so einfach wie möglich gestaltet sein, damit sie verstanden und reproduziert werden können. Ich glaube, das Dorf sieht in mir so eine Art Dirigent, und das Architekturwerk erhält so eine hohe ethische und gemeinschaftliche Wertstellung.
Aus eben diesem Grund ist das Ziel Ihrer Arbeit, wie auch in der Würdigung des Preises beschrieben, ist nicht nur Ihrem Dorf eine bessere Schule zu bauen, sondern auch die Gemeinschaft in den Bau einzubinden, so dass sie sich dort wiedererkennt und den Bau als Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit und –Projektes betrachtet. Wie machen Sie das?
Alle meine Projekte wurden von für diesen Anlass speziell ausgebildeten jungen Leuten umgesetzt. Und wenn dass nicht der schnellste oder beste Weg ist Architektur zu schaffen, dann ist es langfristig gesehen sicherlich eine der nachhaltigsten Vorgehensweisen. Diesen „didaktischen“ Aspekt könnte man als Merkmal meines Architekturverständnisses bezeichnen, der auch bautechnische Entscheidungen beeinflusst. In den Schulen in Gando und Dano wurde beispielsweise das Ziegelwerk unverputzt gelassen, anstatt es, wie traditionell hier üblich, mit einem mit organischen Zusätzen gemischten Lehmputz zu versehen. Das neue Gebäude trägt nicht nur den lokalen Klimaverhältnissen Rechnung, sondern auch den besonderen Bauumständen. Die Bautechniken müssen einfach sein, so dass sie von lokalen Handwerkern übernommen werden können und das Baumaterial muss einfach zu beschaffen sein, damit die Kosten so niedrig wie möglich gehalten und lokale Ressourcen genutzt werden.
Liegen Ihren Projekten Ideen zur Nachhaltigkeit und bioklimatischen Architektur zugrunde?
Das Projekt für die Erweiterung des vorhandenen Schulgebäudes in Dano 2007, das am Rande einer Kleinstadt in Burkina Faso liegt, verwendet lokale Baustoffe und folgt Kriterien der Nachhaltigkeit, um auch den speziellen klimatischen Bedingungen zu entsprechen. Das neue L-förmige Gebäude schließt den südlichen Teil des Schulkomplexes ab und ist so ausgerichtet, dass die Sonneneinstrahlung auf den Wänden reduziert wird, die zusätzlich durch ein vorstehendes, wellenförmiges Dach geschützt werden.
Der Ausbau der Grundschule in Gando 2008 folgt den gleichen bioklimatischen Prinzipien des Erstbaus in etwas abgewandelter Form. Statt der massiven Decke wurde hier eine Decke mit Luftlöchern eingezogen, durch die warme Luft abzieht und Licht einfällt. Klimatische Überlegungen sind auch der Grund für die Hohlräume in der Decke: Das Luftkissen puffert und verhindert ein Aufheizen des Schulraumes. Schutz vor der Witterung liefert auch hier ein weit überstehendes Metalldach. Aufgeheizt durch die Sonneneinstrahlung fördert das Wellblechdach den Luftaustausch zwischen den beiden Abdeckungen, führt warme Luft ab und agiert als Antrieb für das natürliche Ventilationssystem.