Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist in jedem Produktionssystem (vom Einzelunternehmen bis zu komplexen Systemen) anwendbar. Ziel ist dabei die Minimierung des Rohstoffverbrauchs (Input) und die Verringerung der Abfallproduktion (Output) in den industriellen Fertigungsprozessen. Durch Verfahren zur Verringerung des Materialverbrauchs (weniger Rohstoffe für die gleichen Zwecke/Funktionen) und die Schaffung von Recycling- und Refabrikationsströmen, welche die Lebensdauer und Funktionsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen so weit wie möglich verlängern, wird der Wert der Produkte maximal genutzt, der Verbrauch von neuen Rohstoffen und Energie wird vermieden und die Kosten für die Produktherstellung und die Entsorgung der Abfälle sowie die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft entfallen. Darüber hinaus werden in verschiedenen Optimierungsphasen Innovationsmöglichkeiten für Produkte und Dienstleistungen geschaffen.
Die Kreislaufwirtschaft ist seit einigen Jahren ein wichtiges Ziel in der Politik der EU, die 2015 einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft erarbeitet und die wichtigsten Richtlinien für die Abfallbewirtschaftung aktualisiert hat.
Auch in Italien beginnt sich das Paradigma der Kreislaufwirtschaft mittlerweile auf die Tätigkeit der Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung auszuwirken, angefangen bei den mit dem Finanzgesetz 2015 verbundenen Umweltschutzbestimmungen und den spezifischen Rechtsvorschriften einiger Regionen, darunter – als erster – die Emilia-Romagna.

Der keramische Fertigungsprozess – Konzepte für die Kreislaufwirtschaft

• Wiederverwertung der internen Produktionsabfälle
Im Unterschied zu anderen Industriebranchen ist die Keramikindustrie in der Lage, den größten Teil ihrer bei der Produktion anfallenden Rückstände intern wiederzuverwerten. Die Weiterentwicklung der Produktionstechnologien macht die Verwendung großer Teile der Produktionsabfälle (rohe Ausschussfliesen, gebrannte Ausschussfliesen, Schlämme aus den Waschlinien, Schleif- und Polierschlämme, getrocknete Vermahlungsrückstände und Kalkschlämme) und ihre Rückführung in den keramischen Produktionsprozess anstelle anderer Rohstoffe möglich. Auf diese Weise werden Abbau, Transport und Nutzung von tausenden Tonnen natürlicher Rohmaterialien wie Sand, Feldspat, Tonerde, Zirconiumoxid, Mullit und Ton vermieden.
99,5 Prozent der Produktions- und Klärabfälle in der Branche werden in den Produktionszyklus zurückgeführt und decken 8,5 % des Bedarfs an mineralischen Rohstoffen für den Herstellungsprozess. Nach Schätzungen sind rund 600.000 t der in der italienischen Keramikproduktion verwendeten Rohmaterialien ein Sekundärrohstoffgemisch aus Ton, Feldspat und anderen Stoffen, die damit nicht in der Natur abgebaut werden.
Die Region Emilia-Romagna hat mit der Durchführungsverordnung Nr. 16604 vom 23.10.2017, die mit dem Regionalgesetz zur Kreislaufwirtschaft verbunden ist, vier in der Keramikindustrie erzeugte Nebenprodukte bestimmt – rohe Keramikstäube und -massen, gebrannte Keramikstäube, rohes Keramikmaterial (ganz oder als Bruch), gebranntes Keramikmaterial (ganz oder als Bruch) – die effektiv und sicher im keramischen Fertigungsprozess eingesetzt werden können. Die Eintragung in das Verzeichnis ist eine Art Garantie und liefert den Unternehmen Informationen zur Korrektheit und Angemessenheit des jeweiligen Produktionsablaufs. So wird ein wichtiger Beitrag zur Verringerung der Nutzung von Rohstoffen und zur Abfallvermeidung geleistet.

• Wiederverwertung von Abfallprodukten aus anderen Branchen
Eine weitere Maßnahme zur Verringerung des Rohstoffverbrauchs (Input) ist die Nutzung von Abfällen aus anderen Produktionssektoren (Glasabfälle, Schlämme aus der Textilindustrie usw.).

• Vorteile der Verwendung von Abfallprodukten
Die Verwendung von Produktionsrückständen, die innerhalb oder außerhalb des Keramikwerkes anfallen, kann unterschiedlich organisiert sein, je nach vorhandenen Anlagen und Art des Materials. In den verschiedenen Bereichen beläuft sich die durchschnittliche Wiederverwendung auf einen Wert von 129 % und ist damit sehr viel höher als die in den BVT (von der EU festgelegte beste verfügbare Techniken) für den Sektor vorgeschriebenen 50 %.
Die Förderung der Wiederverwendung von Materialien im Keramikproduktionszyklus führt auch zu einer deutlichen Verringerung des Schwerkrafttransportes für die Versorgung mit Rohmaterialien und spart fossile Brennstoffe ein, trägt also zur Verringerung der Treibhausgase bei. Gleichzeitig gelangt dieselbe Menge an Material erst gar nicht in den Abfallzyklus.

Wiederverwendung der Prozessabwässer
Auch der Wasserverbrauch ist ein wichtiger Aspekt bei der Produktion: Wasser wird hauptsächlich beim Mahlen der Rohstoffe, der Glasur und der Endbehandlung der gebrannten Fliesen verwendet. Die Aufbereitung von Prozessabwässern gehört in den Keramikunternehmen seit Jahrzehnten zum Standard – mit dem beachtlichen Ergebnis, dass die Abwässer heute während des Mahlprozesses vollständig recycelt werden.
2015 deckte das Abwasserrecycling fast 70 % des Wasserbedarfs für den Fertigungsprozess (mit entsprechender Verringerung der Entnahme von Grundwasser). Der durchschnittliche Wiederverwertungsfaktor (wiederverwendetes Wasser in Bezug auf das produzierte Abwasser) belief sich auf 104 % und unterstreicht die Fähigkeit der Unternehmen, auch externe Abwässer einsetzen zu können.

Das keramische Produkt in der Kreislaufwirtschaft

Keramik ist aufgrund ihrer Produkteigenschaften – Beständigkeit gegenüber extremen Wetterbedingungen, Chemikalien, Feuchtigkeit Temperaturwechsel und UV-Strahlen – ein extrem langlebiges Material (geschätzter Lebenszyklus über 50 Jahre), das mit speziellen Verfahren zur Aufarbeitung von rohen und gebrannten Produktionsabfällen sowie Abbruchabfällen hervorragend recycelbar ist und den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft entspricht.
Die Weiterentwicklung der Produktformate und -stärken auf Basis der Marktanforderungen wirkt sich auch auf ihre Umwelteigenschaften aus; insbesondere die Entwicklung von Keramikmaterial mit geringerer Stärke verringert die Menge der verwendeten Rohstoffe (Entmaterialisierung) und trägt aufgrund des geringeren Gewichts zur Verringerung der Transportkosten und der pro Quadratmeter aufgewendeten Energie bei.
Das vor kurzem eingeführte Digitaldruckverfahren sorgt zudem für eine drastische Verringerung der für die Dekoration von Fliesen benötigten Materialien und hat weitere Vorteile in Bezug auf die Umweltauswirkungen insgesamt, z.B. reduzierter Wasserverbrauch, höhere Sicherheit der Mitarbeiter, geringerer Energiebedarf und weniger Treibhausgas-Emissionen.

Zukünftige Entwicklungen: Forschungsbeispiele

Das Centro Ceramico (Keramikzentrum) der Universität Bologna fördert mehrere europäische Forschungsprojekte, in die Keramikhersteller einbezogen sind. Im Mittelpunkt dieser Projekte steht die Erprobung neuer Keramikprodukte mit hoher Kreislaufführung. Das sind unter anderem:
– Das Projekt MATER_SOS (nachhaltige Werkstoffe für die Renovierung von Gebäuden und für Neubauten) verfolgt das Ziel, die Umweltauswirkungen von traditionellen Baustoffen wie Beton, Mörtel, Fliesenkleber, Fliesen für den Innen- und Außenbereich und Glasuren zu verringern. Dazu wird die Zusammensetzung der herkömmlichen Werkstoffe durch einen Anteil an Sekundärrohstoffen von mehr als 60 % verändert und so der Energieverbrauch der Fertigungsprozesse gesenkt.
– Das Projekt WINCER fördert die Entwicklung von Fliesen, mit denen eine erhebliche Einsparung an natürlichen Ressourcen durch vollständige Substitution von Feldspat und Quarzsand (100 % Einsparung) sowie die teilweise Substitution von Ton (Einsparung von über 62 %) möglich ist. So wird eine erhebliche Kosteneinsparung (rund 33 %) bei der Zubereitung der Keramikmasse erreicht.

Vertiefungsgrundlagen – normative Verweise
– Bericht 2010-2015: Umweltschutzfaktoren und -maßnahmen – Confindustria Ceramica
http://ambiente.regione.emilia-romagna.it/it/sviluppo-sostenibile/temi-1/autorizzazione-integrata-ambientale-aia/prestazioni-ambientali-delle-industrie-ceramiche
– The New Big Circle – Boston Consulting Group
– Circular By Design, European Environmental Agency
– Growth Within – A Circular Economy Vision for a Competitive Europe, Ellen McArthur Foundation
https://www.arpae.it/cms3/documenti/_cerca_doc/ecoscienza/ecoscienza2018_2/andrea_canetti.pdf
https://www.arpae.it/cms3/documenti/_cerca_doc/ecoscienza/ecoscienza2018_2/giuliana_bonvicini_et_al.pdf
http://www.matersos.it/
http://www.wincer-project.eu/

 

Januar 2019