Die italienische Art, „für immer schön“ zu sein | von Maria Teresa Rubbiani

Artikel veröffentlicht in: "Geschichten zum Thema Heritage, Brand und Marketing"

Wir Italiener leben seit langem mit einer zwiespältigen Erzählung über uns und unsere Kultur. Auf der einen Seite steht das Bewusstsein einer tief verwurzelten, jahrhundertealten Kultur, die weltweit einmalige Schönheit hervorgebracht hat, auf der anderen eine negative Meinung über uns und unsere kulturellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Systeme.

Sobald wir Italien verlassen, merken wir allerdings, wie wir in anderen Ländern gesehen werden. Bewundert, begehrt, gesucht: Was stellen die Produkte mit dem Markenzeichen Made in Italy in der heutigen Welt dar? Ist „Made in Italy“ nur ein leerer Slogan, ein abgedroschenes Klischee, oder steckt mehr dahinter?

Das war das Thema des Online-Gesprächs, das am 22. Dezember 2020 unter dem Titel „Die Italienische Art. Geschichte von Heritage, Brand und Marketing (Modo Italiano. Storie di heritage, brand e marketing)“ stattfand.

The Italian Way Ceramics of Italy

Für die Präsentation der kürzlichen Veröffentlichung von „Atlante della Ceramica. Superfici per l’architettura e lo spazio urbano dal 1945 al 2018 (Atlas der Keramik. Oberflächen für die Architektur und den städtischen Raum von 1945 bis 2018)“ ausgehend ist Fulvio Irace, der Kurator des Buchs, von einem anderen 2012 veröffentlichten Buch ausgegangen, das großen Erfolg ernten konnten, «ein Reportage-Roman einer amerikanischen Journalistin, Katerine Boo, der mich mit seinem Titel „Belle per sempre“ neugierig gemacht und angezogen hat. Eine dramatische und surrealistische Geschichte, die in einem indischen Slum spielt, mit dem üblichen Szenario, das immer von Visionen dieser Art von Habitat begleitet wird, in dem wie eine Art Unterscheidungsmerkmal dieser Landschaft ein Element herausragte: Ein großes Werbeplakat, auf dem auf Italienisch Belle per sempre stand. Es handelte sich um den Slogan einer Werbung für Fliesen, im subtilen Grenzbereich zwischen dem Anfang des Slums und dem Ende des Flughafens von Mumbai, quasi eine Versprechung einer möglichen glücklichen Welt, die jedem zur Verfügung steht», so meinte Irace.

Mit dieser Überlegung nahm ein interessantes Gespräch seinen Anfang, aus dem hervorging, wie die Produktion mit dem Kennzeichen Made in Italy eine wahre Italienische Art, die Moderne aufzufassen, ist, die sich auch dem angelsächsischen Modell der Moderne, das sich durch die serienmäßige Produktion auszeichnet, widersetzt und davon unterscheidet. Eine Italienische Art, die alternativ ist, die anerkannt und geschätzt wird und im Endeffekt der zeitgenössische Ausdruck der italienischen Kultur und Identität ist.

Nachstehend finden Sie einige Auszüge des Gesprächs zwischen Fulvio Irace, Andrea Cancellato, dem ehemaligen Direktor der Triennale di Milano und heutigen Direktor des Museo del Compasso d’Oro, und Daniele Balicco, einem Wissenschaftler an der Universität Roma Tre.

 

Presentazione Atlante della Ceramica. Superfici per l’architettura e lo spazio urbano dal 1945 al 2018

Fulvio Irace: Gibt es eine italienische Art, deren Einfluss im Design abzulesen ist?

Andrea Cancellato: «Ich denke, dass es viel angemessener wäre, neben Made in Italy auch von Italienischer Art zu reden, weil das Design gewöhnlich nicht nur in Italien hergestellt ist, sondern das Ergebnis einer Reihe von Kompetenzen bezüglich des Projekts, der Konstruktion, der Kommunikation und dem Marketing, eines komplexen Systems aus Tätigkeiten, zu dem auch die der Materialien zählt, das uns schließlich Produkte liefert, die wichtige Bedürfnisse für das tägliche Leben der Menschen erfüllen können».

Daniele Balicco: «Über die Beziehung zwischen Design und italienischer Identität nachzudenken wird viel einfacher, sobald man die Staatsgrenze überschreitet. Ich habe mich für einen Teil meiner Forschungsarbeit in New York aufgehalten, ich habe an etwas ganz anderem gearbeitet, aber während meines Lebens in New York hat mich die objektive Präsenz Italiens sehr beeindruckt. Die Tatsache, dass Italien außerdem im Unterschied zu den anderen europäischen Kulturen sehr präsent war, hat mich sehr überrascht. Präsenter bei den Objekten, sogar präsenter bei den Worten. Das grundlegende Thema ist meiner Meinung nach, dass das System der Objekte, das italienische Design in diesen letzten Jahrzehnten eine sehr starke Identität aufgebaut hat, vor allem im Ausland. Im Sinne, dass wir in Italien von Natur aus mit all dem zusammenleben, aber ständig auch eine Art permanente Gegenerzählung darüber, wie wir sind, nämlich die eines Landes in großen Schwierigkeiten, in der Krise, erleben. In Wahrheit koexistieren die beiden Erzählungen, aber für alle, die in Italien leben, überwiegt die negative Gegenerzählung, während wir fast von der Kraft und Auswirkung einer gewissen Art, Italiener zu sein, die heute in einem System aus Objekten, in einem Konsumsystem konzentriert ist, überrascht sind, sobald wir das Land verlassen. Diese Art hat eine ganz präzise Konnotation, die sich auf eine nicht radikale Art einer Idee der Standardisierung und des einheitlichen Massenkonsums, die für die vorige Kultur, die vorigen Formen von Modernisierung – die amerikanische und die anglo-französische – typisch ist, widersetzt. Unsere Art hingegen wirkt wie eine Art antimoderne Moderne, die das handwerkliche Aussehen weiterleben lässt, die sehr mit den Sinnen spielt und an einer Reihe von Elementen arbeitet, die das tägliche Leben, die Vorlieben, den Geschmack, die Sinne und Farben betreffen. All das bringt ein Bild des modernen Italiens hervor, nämlich ein Idealbild, ein idealisiertes Bild, das zwar oft auch voll Klischees ist, aber meiner Meinung nach dennoch in der Lage ist, eine alternative Ansicht der Moderne, der italienischen Moderne, zu vermitteln. Man kann sagen, dass die italienische Art, die Moderne zu erleben, außerhalb Italiens sicher nicht geringgeschätzt wird.»


Siehe auch das Video Atlas der italienischen Keramik, Oberflächen für die Architektur und der städtische Raum von 1945 bis 2018


Eine Italienische Art, deren Merkmale in der zeitgenössischen Produktion des „Made in Italy“ zu finden sind und deren Verwurzelung und Weiterentwicklung im Lauf der Zeit kann dank der historischen Forschungsarbeiten, die zu Veröffentlichungen wie „Atlante della Ceramica“ oder Betriebsmuseen der Keramikbranche führen, auch für die Keramikbranche festgestellt und somit bewiesen werden.

Presentazione Atlante della Ceramica. Superfici per l’architettura e lo spazio urbano dal 1945 al 2018So wurde das Online-Gespräch mit Maria Canella, der Autorin eines der Zusammenarbeit der Modestilisten mit der Keramikbranche gewidmeten Schwerpunkts, fortgesetzt.

 

Fulvio Irace: Wann und warum kommt die Mode in der Welt der Verkleidungen ins Spiel?

Maria Canella: «Es sind die Revolution der Designer und die Entstehung der Produktion unter dem Markenzeichen Made in Italy, die mit der Aufwertung des Industriedesigns zusammenhängt, die zu einem Umdenken in der gesamten industriellen Produktion führen. Es ist kein Zufall, dass auch die Welt der Keramik und der Fliese davon betroffen sind. Sehr interessant ist meiner Meinung nach, dass der Eintritt der Stilisten auch eine interne Revolution in der Welt der Produktion bringt, da in dem Moment kostspieligere Linien geschaffen werden. Die Aufnahme dieser figurativen Kunstformen bedingt eine Erneuerung der Farben und der Produktionstechniken. Es entstehen komplexere Fliesen, was die Bearbeitung und sogar die Formate betrifft».

 

März 2021

 

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