Architektur im Mittelpunkt der Cersaie | von Maria Teresa Rubbiani

Artikel veröffentlicht in: "Branchentreffpunkt für die internationale Welt"

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Es wird wohl einen Grund geben, warum mehr als 10.000 Architekten und fast 2.500 Innenarchitekten auf der Cersaie waren! Grund dafür sind die neuen Keramikprodukte, die für die Architekturwelt nicht nur hohe Leistungsmerkmale, sondern auch viel ansprechende Optik bieten. Das große Interesse ist auch dem reichhaltigen Kulturprogramm „Bauen Wohnen Denken“ zu verdanken, das dieses Jahr sein 10jähriges Bestehen feierte.

Mehr als 3.000 der anwesenden Architekten haben an den Konferenzen und Seminaren teilgenommen.

Aber nicht nur die Zielgruppe der Architekten wächst. Die Cersaie 2018 hat einen Besucherzuwachs von 0,4% auf 112.104 Eintritte verzeichnet. Der internationale Anteil der Gäste stieg dabei um 1,6% auf 54.025, während die italienischen Besucherzahlen leicht um 0,6% auf 58.079 zurückgingen.

Das meist besuchte Event im Rahmen von „Bauen Wohnen Denken“ war der Keynote Vortrag des Pritzker Preisträgers Richard Rogers, an dem 1.800 Personen im Europauditorium teilnahmen. Der mehrfach ausgezeichnete britische Stararchitekt und Designer hat die Anwesenden mit Erlebnissen seines Berufslebens unterhalten. Rogers durchlief zahlreiche Etappen seiner Karriere und stellte einige seiner zentralen Werke, ausgehend vom emblematischen Centre Pompidou: „Ich war dagegen, zum Glück waren die anderen dafür. So habe ich mich der Mehrheit gebeugt und wir haben das Projekt umgesetzt“, so seine Erinnerung an die Entstehung des Beaubourg. Auch das ihm so nahe Thema der kompakten Stadt sprach er an: „Wenn wir uns ohne Auto fortbewegen, mit unseren Freunden ausgehen wollen, dann muss die Stadt kompakt sein“, kommentierte er.

Auf der Cersaie waren nicht nur bekannte und renommierte Stimmen zu hören. Ein markantes Beispiel ist die Konferenz „Die Architektur der Toleranz“, wo die peruanischen Architekten Jean-Pierre Crousse und Sandra Barclay mit berührenden Worten das Projekt und die sozialen und politischen Bedingungen für die Entstehung des wunderbaren Museums in Lima “Lugar de la Memoria, la Tolerancia e la Inclusion social” (LUM) beschrieben haben. Das Monument erinnert an den Bürgerkrieg und die zehntausende toten Zivilisten, darunter viele Einheimische des Quechua-Stamms, der auch heute noch die peruanische Gesellschaft spaltet. Toleranz war auch das Leitmotiv des sizilianischen Architekten Vincenzo Latina, der sein Sanierungsprojekt für eine Höhle in Lampedusa zu einem Theater für Kulturinitiativen und Erinnerungsstätte für die dem Meer zum Opfer gefallenen Migranten, speziell des Unglücks vom 3. Oktober 2013 mit 388 Toten, vorgestellt hat.

Weitere Konferenzen sahen internationale Jungarchitekten im Mittelpunkt, wie der Portugiese Camillo Rebelo und die Brasilianerin Carla Juaҫaba, neben renommierten Meistern des Fachs wie Mario Botta und Guido Canali. In einem spannenden Austausch sprachen die beiden Altmeister Botta und Canali über ihre zahlreichen Projekte, darunter das Bauwerk Fiore di Pietra auf dem Gipfel des Monte Generoso und das Projekt des Architekturtheaters der Hochschule der italienischen Schweiz von Botta. Canali stellte drei seiner Museen vor: der Palast der Pilotta in Parma, Santa Maria della Scala in Siena, das Museum in Pontremoli. Zum Abschluss der Konferenz waren sie sich beide einig, dass: „Wir die Menschen, die in unseren Gebäude und im Umfeld wohnen nicht überwältigen, sondern ihnen zuhören müssen. Wenn man aus einer Haltung der Arroganz, der Überheblichkeit heraus agiert, wird man seiner Rolle untreu“, so Canali. Ein Ansatz, den auch Botta teilt: „Ich glaube, dass Demut die Grundvoraussetzung ist für das Bewusstsein, dass wir nur ganz kleine Werkzeuge in der Gestaltung einer Landschaft sind. Wir stehen der Erdkruste gegenüber, verändern diese und das macht uns zu Winzlingen.“

Die Jungarchitektin Carla Juaҫaba beschrieb nach einem kurzen Exkurs zu ihren Projekten das auf der diesjährigen Biennale in Venedig vorgestellte Projekt im Pavillon des Vatikanstaates. Hierfür engagierte sie zehn Architekten aus aller Welt, die ebenso viele Kapellen realisierten. Auch Camillo Rebelo fokussierte nach einem Überblick über seine Werke auf ein spezifisches Werk, dem Museo do Côa. „In meinem Architekturansatz hat das Umfeld eine große Bedeutung, sei es die Landschaft als auch die Stadt“, erklärte er. „Das Museum befindet sich im Archäologiepark von Vale Côa und die größte Herausforderung bestand darin, ein Bauwerk zu gestalten, das taktvoll auf das Umfeld abgestimmt ist.“

Parallel zum Seminarangebot stand den Fachbesuchern ein reichhaltiger Veranstaltungskalender zur Verfügung. In den Presse Cafès fanden 13 Gespräche zu aktuellen Themen mit internationalen Gästen der Design- und Architekturwelt statt, die Ausstellungen „The Sound of Design“, „Keramik und Projekt“ und „Mater Ceramica“ sowie die Termine in der Stadt der Verlegung lieferten zahlreichen interessante Anregungen.

 

Oktober 2018