Editorial Kommentare
Auf den Spuren des „Freespace“ der Biennale | von Luca Gibello, Chefredakteur Il Giornale dell’Architettura
Die 16. Internationale Architekturausstellung der Biennale in Venedig (26. Mai – 25. November 2018) trägt den Titel „Freespace“. Tituliert wurde er von den beiden Kuratorinnen, den Irinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara, die seit Jahren gemeinsam das Architekturbüro Grafton Architects führen. Das definierte Thema lässt breiten Raum für Interpretationen. Betrachtet man Architektur als die politischste aller Künste – einem Konzept, das bereits in der vergangenen Ausgabe mit dem Titel „Reporting from the front“ angeklungen ist – so steht auch dieses Mal die praktische Rolle der Architektur als „Organisationsinstrument der zivilen Gesellschaft“ im Vordergrund, umgesetzt durch öffentliche Güter oder „private Schenkungen“. Zielstellung ist die Förderung der kollektiven Nachfrage nach Architektur. In „Freespace“ ist die zentrale Frage die der Fläche, des Raumes, als freies, kostenloses und erlebtes Gemeingut. Ein Thema, das aller Wahrscheinlichkeit nach den Beifall eines namhaften Historikers und Kritikers wie Bruno Zevi erhalten hätte, an den wir uns anlässlich seines hundertjährigen Geburtstag erinnern möchten. Ohne über genauere Details zu verfügen, fokussiert sich die Interpretation des angebotenen Themas auf das Manifest der Kuratorinnen. Dieses wurde im vergangenen Juni vorgestellt und einige Schlüsselworte liefern einen möglichen Leitfaden: Freigiebigkeit des Geistes – Schenkung von freien Flächen für vielleicht noch nicht geplante Verwendungszwecke, Hervorhebung natürlicher Gaben (wie Licht) – Freiheit der Vorstellungskraft in der Einbindung von Altem, Gegenwärtigem und Zukünftigem. All dies mit einem gemeinsamen Nenner: die Erde als Kunde. Geht man davon aus, dass Fläche und Volumen unser Verhalten beeinflussen, wird die Gleichung „Verfall der Fläche = Verfall der Gesellschaft“ fast offensichtlich.
In einer weiter gefassten Interpretation könnte man „Freespace“ auch als „mögliche Fläche“ sehen, also im Zusammenhang mit Experimentieren, die sowohl bildlich (die Form der Fläche) als auch technisch (die Materie der Fläche) ist. In dieser Logik kann die italienische Keramikindustrie durch ihre experimentelle Neigung, die auf Innovation zielt, der Fachwelt einen Anreiz und praktische Unterstützung liefern. Und das nicht nur durch die Bereitstellung von Material, sondern auch über Kompetenzen und Wissen, die zu unerwarteten Ergebnissen führen: durch die Infragestellung konsolidierter Prozesse oder um die Grenzen ein wenig weiter zu fassen. Und warum nicht auch, um unser Erstaunen zu erwecken, das heute oft unter dem gewöhnlich Alltäglichen vergraben ist oder durch die Leere des digitalen Universums betäubt wird.
April 2018