Die Bauwirtschaft in Quarantänezeiten | von Alessandra Ferretti

Das ist die Prognose der Experten angesichts der von der Coronakrise verursachten Schwierigkeiten. Betroffen sind auch Bereiche wie die Immobilienbranche, die sich in Deutschland noch bis 2019 glänzend entwickelt hatte. Momentan erwarten die Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dass sich die unsichere Lage auf dem Arbeitsmarkt und bei der wirtschaftlichen Entwicklung sowohl auf den Kauf von Immobilien als auch auf die Mietsituation auswirken wird. „Viel dürfte davon abhängen“, so die Experten, „wie lange die Krise anhält. Derzeit wird eine Stagnation auf dem bisher erreichten Niveau oder ein leichter Rückgang erwartet. Ein längeres Andauern der Krise wird sich stark auf den Immobilienmarkt und auf die deutsche Bauwirtschaft auswirken.“ Das Baugewerbe ist zudem stark auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, die zum Teil ausfielen.

Nach Angaben des deutschen Statistischen Bundesamtes verzeichnete der Immobiliensektor in Deutschland im vierten Quartal des letzten Jahres bei den Kaufpreisen für Wohnimmobilien eine Preissteigerung von +5,7 %. In Ballungsräumen wie München, Stuttgart, Frankfurt und Düsseldorf stiegen die Preise für Eigentumswohnungen noch einmal um zehn Prozent. Wie Michael Voigtländer, Immobilienexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW), gegenüber der Tagesschau erklärte, finden „Besichtigungen kaum statt und viele Käufer halten sich zurück, weil sie um ihre Jobs bangen oder schrumpfende Einkommen erwarten.“ Für die Immobilienpreise werde eine Stagnation oder sogar ein leichter Rückgang erwartet.

Einerseits hat sich der Spielraum für die Mieten durch höhere Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verringert, viele müssen nun höhere Anteile ihrer Einkünfte für die Wohnung aufwenden. Andererseits wurden zur Abfederung der Krise neue Maßnahmen beim Mieterschutz ergriffen. Dazu gehört auch, dass Mieter wegen der Coronakrise ihre Mietzahlungen stunden können, ohne dass dem Vermieter hieraus ein Kündigungsrecht entsteht. Außerdem werden Mieterhöhungen in den nächsten Jahren wahrscheinlich nur eingeschränkt möglich sein.

Das Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GmbH (GEWOS) geht davon aus, dass hauptsächlich private und mittelständische Investoren und Wohnungshalter von Mietausfällen und Liquiditätsengpässen betroffen sein werden. Die vom Institut erstellte Analyse ergab, dass sich die Coronakrise stärker auf den Immobilienmarkt auswirken wird als die globale Finanzkrise 2008. Die Kauffälle gingen damals um 12 Prozent zurück.

Wahrscheinlich werden aber nicht nur die kleineren Bestandshalter unter der Stagnation des Mietmarktes leiden, sondern auch die großen Immobiliengesellschaften, die ihre Gewinnprognosen nach unten revidieren müssen. Einige Immobiliengesellschaften haben demonstrativ auf Mieterhöhungen oder Kündigungen verzichtet. Und sogar ein Hilfsfonds von 30 Millionen Euro wurde aufgelegt, um Mietern zu helfen, die wegen der Coronakrise in Schwierigkeiten geraten sind. Immobilienkonzerne, die auf Gewerbekunden spezialisiert sind, haben an der Börse kräftig an Wert verloren. Die meisten der Immobilienunternehmen haben ihre Gewinnprognosen bereits gekürzt.

Auch die Bauwirtschaft ist stark von der Coronakrise beeinträchtigt. Angesichts drohender Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit scheint die Immobilienfinanzierung erheblich schwieriger geworden zu sein. Die Banken werden in den nächsten Monaten genauer hinschauen, welche Risiken tragbar sind. Der von den Zentralbanken kommende Geldstrom hat immerhin einen leicht positiven Effekt bewirkt. Aufgrund dieser Situation ist es wahrscheinlich, dass die Bauzinsen auf dem bisherigen Niveau bleiben.

Laut Tagesschau-Bericht zeigt sich auch die Bauindustrie besorgt über die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Wie das deutsche Statistische Bundesamt ermittelt hat, verzeichnete die Branche im Januar einen Rekord-Auftragseingang von 6,4 Milliarden Euro. Angesichts der vielen Ungewissheiten in der kommenden Zukunft verstärken viele Unternehmen ihre Hygienemaßnahmen auf den Baustellen und versuchen, ihre Projekte fortzusetzen.

 

Juni 2020