Keramikmuseum Francesco De Maio | von Simona Malagoli

Die Keramik aus Vietri sul Mare bei Neapel kann auf eine jahrhundertjährige Geschichte zurückblicken, eine Tradition, die im Lauf der Jahrhunderte von Generation zu Generation überliefert wurde und – auch heute noch – mit ihrer ganzen in den Gassen, Wohnungen und Läden immanenten Kunst ins Staunen versetzt und mit ihren Motiven und brillanten Farben Touristen und Besucher in der ganzen Welt zu bezaubern weiß. Die herrliche Küstenlandschaft, in die Vietri wie eine Perle eingefasst ist, spiegelt sich in den Keramikerzeugnissen wider, die das intensive Blau des Meeres mit ihren unzähligen Nuancen und der herrlichen Vielfalt an Farben und Blumenmotiven, die magische Atmosphären in den Sinn rufen, reflektieren.

Das in Nocera Superiore nur wenige Kilometer landeinwärts von Vietri am Anfang der Amalfiküste gelegene Unternehmen Ceramica Francesco De Maio ist nicht nur Teil dieser faszinierenden Geschichte, sondern kann sogar ihre Ursprünge nachweisen. So zählte die Familie Cassetta, mit denen sich die De Maio im Jahr 1959 verschwägerten, zur Jahrhundertwende zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert zu den ersten Cottomeistern. Berühmt waren sie vor allem für ihre Brennöfen, in denen Geschirr, Amphoren und Dachziegel für den gewöhnlichen Gebrauch produziert wurden, die meisten unglasiert; eine raffinierte Produktion unter Handfertigung der Majolika-Terrakotta hingegen verbreitete sich erst ab 1550. Das bescheinigt ein bedeutendes Dokument bezüglich des Verkaufs von 50 Amphoren „für die Aufbewahrung des Öls“ am 3. Oktober 1494 seitens des Cottomeisters Matteo Cassetta an Franceschetto Longo, das im Keramikmuseum Francesco De Maio aufbewahrt wird. Und auf den Wänden dieses Museums wird durch die Ausstellung von Tuschskizzen, alten Fotos, Fliesen mit Tonbasis und Majolika aus dem 18. Jahrhundert die Geschichte der Keramik aus Vietri erzählt, eine Geschichte, zu der auch die Weiterführung der Produktion der Cassetta von Generation zu Generation zählt. Auf den in intimen, ansprechenden Nischen untergebrachten Fächern aus Glas werden zum Beispiel Manufakte des 1894 geborenen Giuseppe Cassetta, dem Sohn von Biagio Cassetta, der ebenfalls Keramiker und Dekorateur war, und den Keramikplatten der 40iger Jahre nach einem Entwurf von Gio Ponti gezeigt Und so gelangen wir schließlich bis in die heutige Zeit, in denen die Begegnung zwischen Giuseppes Tochter Vincenza Cassetta und dem Keramiker Francesco De Maio stattfand, der ebenfalls eine alte Familientradition der Handbearbeitung der Terrakotta inmitten der Tongruben in Ogliara geerbt hat. Ihre Ehe krönt die Verbindung zwischen historischen Keramikerfamilien, die 1963 zur Entstehung der ersten ihrer Betriebe führt: Die Ceramica di Vietri Francesco De Maio. Die Firma ist die Verwirklichung eines Traums, der aber im Lauf der Jahre nie seine innovative Kraft erschöpft hat, sondern weiterhin eine zentrale Rolle dabei spielten, das kulturelle, künstlerische und handwerkliche Erbe der Keramik aus Vietri zu überliefern und am Leben zu halten. Mit Leidenschaft und Professionalität schaffen die Keramikmeister von Ceramica Francesco De Maio auch heute noch handdekorierte Majolikaprodukte und interpretieren dabei das historische Gedächtnis nach den neuen Vorlieben und den aktuellen Trends.

 

 

In der Ceramica Francesco De Maio stecken mehr als fünf Jahrhunderte Keramikgeschichte im Zeichen der Liebe für das Handgemachte, die sorgfältig aufbewahrt wurden, um auch ja keine Verluste zu riskieren. Durch die Schaffung des Museums soll auch allen, die zwar nicht Augenzeugen dieser Geschichte sein konnten, aber ihre Attraktivität zu schätzen wissen, die Teilnahme ermöglicht werden.

Alle Besucher des Museums sind nicht nur von der Schönheit der ausgestellten Manufakte fasziniert, sondern fühlen sich auch augenblicklich in die Geschichte der Familie versetzt, einen Spiegel und Aushängeschild der Keramiktradition aus Vietri. Sehr ansprechend wirken die lebensgroßen Schwarz-Weiß-Bilder von Giuseppe Cassetta, der seine Tätigkeit als Lehrling seines Onkels Giovanni Tajani – dem Inhaber der Fabrik, die im 18. Jahrhundert die herrliche Kuppel des Doms von Vietri sul Mare geschaffen hat, die mit strahlenden Majolikadachziegeln in den Farben grün, gelb und blau verziert ist – begann und 1927 zur Industria Ceramica Salernitana des Deutschen Max Melamerson wechselte, bis er schließlich 1944 seine eigene Fabrik eröffnete: die „Ceramica Artistica Cassetta“ (C.A.C.) in Vietri sul Mare im Ortsteil Fontana Limite. Von großer Bedeutung war Ende der 40er Jahre die Begegnung mit Gio Ponti, der ihm einige auf Majolika aus gebranntem Ton umzusetzende Zeichnungen in Auftrag gab.

 

 

In Salerno angelangt verliebte sich der Meister aus Mailand in den herrlichen Golf von Neapel und die Farben dieses zauberhaften Szenarios – die verschiedenen Blau- und Weißtöne, in denen der Ursprung für die berühmten, 1960 von Ponti entworfenen zweifarbigen Werke liegt: dreiunddreißig Muster mit geometrischen, naturalistischen und Blumenmotiven, die jeweils auf mindestens vier mögliche Arten kombiniert werden können. Die historische Bindung zu Gio Ponti wird bei Ceramica Francesco De Maio stark empfunden, die nach fast sechzig Jahren mit extremer Strenge ebensolche Majolikaprodukte hervorbringt: eine – im großen Ganzen – originalgetreue Nachbildung der alten Originale, aber auch die Schaffung von brandneuen Dekoren des Meisters. Der außergewöhnlichen geleisteten Arbeit, „von Hand gemacht“ – einem Symbol für ein modernes, aktuelles Handwerk, in dem die Firma täglich zum Schöpfer wird – ist eine ganze Wand des Museo della Ceramica Francesco De Maio gewidmet, und nicht nur, um die Majolikawerke „Blu Ponti“ zu verewigen, eine schon bei der Entstehung zeitlose Kollektion, aber vor allem aus dem Bedürfnis, zum Ausdruck zu bringen und zu dokumentieren, wie sehr ein außerordentliches Stück Geschichte des italienischen Designs tief in diesen wunderbaren Orten, die steil über dem Meer emporragen, verwurzelt ist.

Ein Museum für handgemachte Majolikaprodukte, in dem die Farbe den Pinselstrich offenbart und wo jedes Erzeugnis eine erzählenswerte Geschichte vermittelt: zwar immer für Vietri typisch, von den Terrakottameistern gefertigt und mit den Namen einer Familie verbunden, aber in der Lage, von Verflechtungen und Erfahrungen der Vergangenheit ausgehend neue zukünftige Projekte anzuregen.

 

Juni 2021