Die Keramikfliesen im Projekt eBIM | von Massimo Cotti, Roberto Mazzi, Barbara Mazzanti

Bei der Planung von Gebäuden – egal ob Neubauten oder sanierungsbedürftigen Altbauten – wird immer stärker auf einen Ansatz auf der Grundlage der BIM-Methode gesetzt. Während BIM bis vor wenigen Jahren vor allem für die Erstellung von 3D-Modellen verwendet wurde, verbreitet sich heute das Bewusstsein, dass die Informationen zu den Elementen, aus denen das Bauobjekt besteht, ein ebenso wichtiger Aspekt sind wie die Geometrie. Eine Synergie, die dank einer aufmerksamen, durchdachten Implementierung der Merkmale der Baustoffe und Baukomponenten in Sachen Anlagen und Technologie erzielt wird. Die Projektpartner Universität Parma, Centro Ceramico und Certimac haben im Rahmen des Projekts eBIM (existing Building Information Modeling)* eine Informationsdatenbank mit den bestehenden und neu produzierten Baumaterialien entwickelt. Die letztgenannten wurden entsprechend den Vorgaben in der Verordnung (EU) Nr. 305/2011** im Einklang mit den Unterteilungen in „Produktbereiche“ (Tabelle I Anhang IV) eingestuft.

Die Implementierung von Daten zu den Ausfertigungs- und Verkleidungskomponenten wie Keramikfliesen, die bisher vorwiegend aus ästhetischen Gründen mitgeteilt wurden, ermöglicht nicht nur eine korrekte Übermittlung der Informationen zwischen den verschiedenen Akteuren, die am Bauprozess beteiligt sind, sondern erleichtert auch die Kontrollvorgänge bei der Umsetzung der Arbeiten und einen besseren Umgang mit den zukünftigen Instandhaltungen. Um die Daten zu wählen und strukturieren, wurden verschiedene Möglichkeiten erwogen und die positiven und kritischen Aspekte sowohl in Bezug auf die Einzelheiten des Modells als auch auf den Fachmann, der es entwickelt, hervorgehoben. Unter den verschiedenen Baumaterialien wurden die Keramikfliesen auf zwei verschiedene Arten implementiert: in einem Fall durch die Erstellung der einzelnen Verkleidungskomponente einschließlich der semantischen Informationen, im anderen durch die Erstellung eines Materials in der Bibliothek der verwendeten BIM-Authoring-Software. Im zweiten Fall stellt die angelegte Keramikfliesen-BIM-Bibliothek einen wahren virtuellen Katalog dar, in dem der Planer die direkt vom Hersteller anhand von DoPs, technischen Datenblättern oder sonstigen Zertifizierungen gelieferten Merkmale und Informationen findet. Welche Vorteile bietet das im Vergleich zum Laden von Objekten aus im Internet verfügbaren BIM-Bibliotheken? Der Fachmann, der diese Datenbank besitzt, wird im üblicherweise verwendeten Programm grafische Elemente wie die Textur der Keramikfliese, die er einem Kunden zeigen kann, oder ihre 2D-Darstellung, um ein Verlegemuster umzusetzen, sowie die Informationen dazu finden: physikalische, chemische und mechanische Merkmale und Felder in Verbindung mit dem 5D-Aspekt (Berechnung des Auftrags), die bei der Materialverwaltung während der Bauarbeiten nützlich sind. Außerdem wird er die uneingeschränkte Freiheit genießen, mit den bevorzugten Instrumenten die Anwendung des Materials auf eine vertikale, horizontale oder geneigte Komponente zu verwalten, und dabei den rechnerischen Aufwand und Schwierigkeiten während des Übertragens/Exportierens in openBIM-Formate reduzieren. Im Rahmen des Projekts ist die Universität Parma außerdem näher auf die Analyse von zwei besonderen repräsentativen Fallstudien von Eingriffen an historischen/monumentalen Gebäuden und Wohnbauten eingegangen: das ehemalige Gefängnis San Francesco (PR) (Abb. 1) und ein Wohnhaus des sozialen Wohnbaus von ACER in der Gemeinde Correggio (RE) (Abb. 2). Das Gebäude des ehemaligen Gefängnisses, das in ein Studentenheim umgewandelt werden soll, besteht aus fünf Oberstockwerken mit einer Bruttogesamtfläche von ungefähr 7500 m2. Das Wohngebäude aus tragendem Mauerwerk mit rechteckigem Grundriss hat 4 Oberstockwerke (je 200 m2 Fläche) und wurde energetisch saniert.

 

 

Abb. 1. Ehemaliges Gefängnis San Francesco. Rendering mit sechseckigen Fliesen auf dem Fußboden

 

Edificio ACER

Abb. 2. Fallstudie Gebäude ACER. Detailansicht des mit hellen Feinsteinzeugfliesen verkleideten Wärmedämmverbundsystems

 

Die mit der Software Archicad*** erstellten Modelle der beiden Gebäude wurden mit den Informationen sowohl zu den bestehenden Baustoffen als auch denen im Projekt bereichert. So wurden dank der Zusammenarbeit mit dem Centro Ceramico und den Partnerunternehmen des Projekts, Tonalite S.p.A. und Ceramiche Refin S.p.A., auf der Grundlage sowohl von Leistungsspezifikationen als auch von ästhetischen Kriterien die „Keramikfliesen“-Produkte gewählt, die sich am besten für den spezifischen Einsatzzweck eignen. Um in diesem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert zu gewährleisten, dass die neuen Fliesen mit den Originalfußböden harmonieren, wurden sechseckige Zweibrandfliesen gewählt, auf denen die bereits auf den bestehenden Böden vorhandenen Motive nachahmen. Im Wohnhaus erfüllt die Fliese im Format 60×60 cm aus Feinsteinzeug zwei verschiedene Zwecke, den der Oberflächenausfertigung des Wärmedämmverbundsystems und – dank des Sonnenreflexionsvermögens – den der Reduzierung des Eindringens der Hitzewelle in die Gebäude im Sommer.

 

Massimo Cotti, Roberto Mazzi (Institutsübergreifendes Zentrum für Energie und Umwelt (Centro Interdipartimentale per l’Energia e l’Ambiente) CIDEA – Universität Parma)
Barbara Mazzanti (Centro Ceramico)


Anmerkungen

* Projekt von der Region Emilia Romagna im Rahmen der Ausschreibung OP-EFRE 2014-2020 (Prioritätenachse 1 Forschung und Innovation) kofinanziert

** In der Verordnung (EU) 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 werden die harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten festgelegt und die Richtlinie 89/106/EWG des Rates wird aufgehoben.

*** Graphisoft Archicad, Version 24.

 

Juni 2021